Salvador - Grenada ( Karibik )
Den Karneval habe ich einigermaßen gut überstanden. Das (der Karneval) ist ein Ding,
das ich nur empfehlen kann! So etwas wird man bei uns nie erleben - diese Menschenmassen,
diese Vitalität, Lebensfreude und diese Musik. Es ist der pure Wahnsinn. Und ganz schön
anstrengend - wenn man alles sehen bzw. mitmachen will. Ich habe mich etwas
zurückgehalten, weil ich Probleme mit dem Gedränge habe - andere haben sich Abend
für Abend in die Menge gestürzt und gefeiert. Ganz kurz etwas über den Ablauf bzw. die
Möglichkeiten des hiesigen Karnevals. Es gibt keine Kostüme, Masken o.ä. wie bei uns
oder in Rio. Der "Zug" besteht aus sogenannten Blocos - Gruppen
unterschiedlicher rassischer, politischer, musikalischer oder religiöser Schattierung -
die sich hier präsentieren. Der Wagen besteht aus einer LKW - Zugmaschine mit einem
speziell hierfür konstruierten Auflieger, der von einer Bar (bzw. Ausschank) bis zur
Toilette alles enthält. Auf diesem Gefährt, das übrigens zur Hälfte aus riesigen
Lautsprechern besteht, und so an die 20m lang ist, gibt es eine Art Dachterrasse
auf der
sich eine Band inklusive heißen Gogogirls, und den VIP's befindet. Die heizen der Menge
dermaßen ein, das einem fast das Trommelfell platzt. Rund um diesen Wagen wird ein langes
Seil als Absperrung mitgetragen und in diesen Kreis dürfen nur die Leute, die sich vorher
eine "Eintrittskarte" erworben haben. Diese Eintrittskarte besteht aus einer Art
Kostüm - Hose, bzw. Rock, T-Shirt und einer Kopfbedeckung. So ziehen sie im Schritt-Tempo
durch Salvador - tanzend und Singenderweise. Das ist die aktivste Art hier den Karneval zu
feiern.
Die zweite Möglichkeit wäre, sich einen Logenplatz auf einer der extra errichteten
Tribünen zu mieten und sich das Spektakel aus einer gewissen Distanz anzuschauen. Mit ein
paar lustigen Gesellen und Gesellinnen ist das sicherlich die bequemste Art zu feiern
(nicht unbedingt die schlechteste). Diese beiden Arten kosten je nach Beliebtheitsgrad des
Blocos bzw. der Lage der Tribüne teilweise richtig Geld - bis zu 800,-DM. Aber ich denke
es lohnt sich.
Die dritte Art ist halt sich einfach an die Straße zu stellen und mit dem gemeinen Volk zu
feiern. Nicht anzuraten für Leute mit Platzangst. Wenn ein Bloco vorbeizieht, weiß man
wie sich die Sardinen in den Dosen fühlen - und dem greift nicht alle 5 Minuten einer in
die Hosentasche um noch ein paar Real zu finden! Ich habe bisher gedacht, ich würde es
bemerken wenn mir einer versucht in eine der vorderen Taschen einer eng geschnittenen
Jeans zu greifen - ich habe mich getäuscht!! Nach dieser Erfahrung hab ich dann wie alle
hier mein Geld in den Schuhen versteckt. Wie immer man den Karneval auch feiert, hier in
Salvador - es ist anstrengend.
Am Donnerstag den 9. März starten wir zur nächsten Etappe, die uns über die Inselgruppe
Fernando de Noronha - ca.300sm nordöstlich von Recife liegend, nach Grenada in die
Karibik führt. Ursprünglich war geplant nonstop dorthin zu segeln. Da das aber eine
ziemlich lange Etappe gewesen wäre (2600sm), hat man sie mit dem Aufenthalt auf Fernando
unterbrochen - auch wenn es ein kleiner Umweg ist. Statt wie üblich 12.00 ist der Start
diesmal um 17.00Uhr. Mittags ist noch Niedrigwasser. Da wäre für Futuro und uns kein
Durchkommen durch die flache Einfahrt in die Marina.
Die Vegewind ist mit 11 Leuten Besatzung überraschenderweise ziemlich voll. Die langen
Etappen sind normalerweise nicht so attraktiv. Im einzelnen sind das: Thomas, unser neuer
(alter) Skipper - er hat uns schon von Australien nach Südafrika gebracht. Mit Hans,
Horst und Udo stellen die Bremer wieder mal das größte Kontingent. Dazu kommt Sharon, aus
der Nähe von Frankfurt/Main und Monika aus Ostfildern bei Stuttgart. Eine"
Wiederholungstäterin " haben wir noch dabei - nämlich Helga, eine 70jährige
Deutsche, die seit ein paar Jahre in Kanada lebt, und uns schon von Mauritius bis Durban
begleitet hat. Dazu kommt dann natürlich noch die Stammcrew mit Bernd, Sandra, Tschäggi
und mir. Stefanie hat erst mal wieder genug gesegelt und ist in die USA geflogen und wird
in St. Lucia, in der Karibik, wieder an Bord kommen. Heinz Seeman hat gemerkt, das er
seinem Namen nicht gerecht wird, und hat uns nach dem Cruising in Brasilien verlassen. Es
stimmt also nicht immer mit dem Spruch: nomen est omen.
Diese Etappe ist mal was besonderes: wir müssen bis Fernando de Noronha hoch am Wind
fahren und einen großen Teil auch noch kreuzen! Unser Kurs liegt meistens so um die 45°
- also Nordost. Und der Wind kommt hauptsächlich aus dem Osten - mal etwas nördlicher -
später nach Süden drehend. Das bedeutet, das wir alle paar Stunden einen Schlag für
1-2Std. von der Küste weg machen müssen. Da außerdem dort noch eine ziemliche Strömung
südwärts verläuft, segeln wir immer ein paar Meilen zurück dabei. Wir halten uns
möglichst dicht an der Küste dabei - weil dort die Strömung am geringsten ist. Nachts
hat das allerdings den Nachteil, das wir durch die Fischerboote kurven müssen. Das ist
kein besonderes Vergnügen! Einmal werden wir von ihnen gezwungen weit raus zu fahren -
und das mit brutaler Gewalt. Eines ihrer Boote ging jedes Mal auf Kollisionskurs wenn wir
ihnen zu nahe kamen!! Als wir an Recife vorbei sind beginnt der Wind langsam nach Süden
zu drehen, und wir schaffen es in einem Schlag bis nach Fernando zu segeln.
Genau nach sechs Tage fällt unser Anker in der Baie de San Antonia. Dort liegen schon
Futuro, Taratoo, Risque und Company. Wir blasen unser Dingi auf und gehen nach dem
Abendessen an Land. Die Bürgersteige sind schon hochgeklappt - doch wir finden noch eine
Bar, wo wir ein paar kühle Getränke zu uns nehmen können. Am nächsten Tag gibt es die
unterschiedlichsten Aktivitäten. Die einen erkunden die Insel zu Fuß - ein paar gehen
tauchen. Wir sind eigentlich alle ziemlich erstaunt darüber, wie viele Urlauber es hier
gibt. Da die Inseln als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind, haben wir nicht mit soviel
Tourismus gerechnet.
Da wir noch einen langen Weg vor uns haben, geht es nach einem Tag schon wieder weiter.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ( wir haben jetzt den Wind von hinten ) für unsere
Neulinge an Bord, ziehen wir am nächsten Morgen unseren Spinnaker hoch und kommen gut
voran. Fast zwei Tage fahren wir ununterbrochen mit dem Spi - doch dann passiert
wieder mal ein Malheur! Aus heiterem Himmel reißt der Kopf des Spi's ab!! Wir wissen nicht warum. Es
war nicht zuviel Wind ( 4 Bft ), und er war vorher auch nicht kollabiert. Einer der
schadenträchtigsten Momente im Leben eines Spi's. Es kann eigentlich nur
Materialermüdung sein. Aber das bei einem Segel das erst seit Kapstadt im Einsatz ist ?!
Wir können es nicht ändern - und auch nicht an Bord reparieren - und ziehen die Genua
wieder hoch und segeln so die ganze Nacht weiter. Sonntagmorgen ziehen wir dann unseren
"Reservespi" hoch. Das ist der von der Alparena. Doch auch er bleibt nicht lange
oben! Denn es ziehen dicke, schwarze Wolken auf. Die bringen meistens kurze, heftige Böen
mit sich - sogenannte Squalls - die Sturmstärke erreichen können. Und das ist dann auch
noch häufig mit einer Winddrehung verbunden!
Man hat in der Regel Zeit genug sich auf sie vorzubereiten - Luken schließen, auf und
unter Deck alles sichern, evt. Segel reffen, Pützen (Eimer) vorbereiten zum Regenwasser
auffangen um die Frischwasservorräte zu ergänzen, Shampoo bereitlegen für eine
Frischwasserdusche, etc,etc. Doch wehe dem Schiff das mit Autopilot fährt und die
Besatzung sitzt im Salon und spielt Karten - das kann eine böse Überraschung werden!
Aber das macht ja keiner!?
An diesem Sonntag, der 19.3.2000 kehren wir auch wieder auf die nördliche Erdhalbkugel
zurück. Um 15.45.Uhr kreuzen wir bei 38°42,5' W den Äquator!! Und wieder gibt es eine
zünftige Taufe für die, die diese Linie zum erstenmal auf einem Schiff überqueren. Und
das sind alle unsere Gäste. Wir haben diesmal Rasmus höchstpersönlich an Bord - mit
seinem "Schätzchen". Eigentlich ist er ja der Schutzpatron der Seefahrer - aber
heute hat er wohl ziemlich schlechte Laune. Die Täuflinge müssen allerlei derbe Späße
über sich ergehen lassen und höchst widerliche Getränke zu sich nehmen um ihn wieder zu
besänftigen. Kaum hatten wir diese Prozedur hinter uns, zog auch schon der nächste
Squall über uns hinweg und blies uns unseren schönen neuen Waschzuber über Bord! (
Soviel zum Thema: an Deck alles sichern ) Diese Etappe gehört zu den verlustreichsten
überhaupt. Zumindest was Thermoskannen angeht. Innerhalb der ersten neun Tage gingen drei
Stück zu Bruch - und nun auch noch der Waschzuber!
Die nächsten 4-5 Tage verlaufen eigentlich ziemlich ruhig - vom häufigen Spinnaker hoch-
und runternehmen mal abgesehen. Wegen den Squalls hauptsächlich. Wir kommen "
relativ" gut voran - täglich so um die 140-150sm. Das "relativ" soll
heißen, das wir erheblich schneller hätten sein können, wenn wir unsere
"Hausaufgaben" besser gemacht hätten!! Anstatt des direkten Weges (den wir
genommen haben), hätten wir einen kleinen Umweg fahren können, der uns näher an die
Küste gebracht hätte (wie alle die anderen). Dort hätten wir dann eine Strömung mit uns
gehabt (nicht wie momentan dagegen), und hätten so im Schnitt 30-40sm pro Tag mehr machen
können. Nun fahren uns Boote die normalerweise ähnlich schnell sind wie wir auf und
davon!
Doch nun zu einem erfreulicherem Thema: der Angelei! Unsere Gäste waren sehr beeindruckt,
als wir direkt am ersten Tag nach dem Start in Salvador drei Fische aus dem Wasser zogen -
wir übrigens auch! Zwei kleine Barracudas und eine mittelgroße Dorade. Das fing ja gut an
- sollte aber nicht so weitergehen. Erst zehn Tage später hatten wir den nächsten Fisch
an der Angel! Und was für einer - ein Blue Marlin!! Bernd und Udo hatten ihn schon bis
ans Boot herangezogen - da bog sich der Haken auf und weg war er. Sch....! Was waren die
beiden traurig. Zwei Tage hatten wir den nächsten Biss. Ich hatte Glück und konnte einen
großen Wahoo an Bord hieven. Noch mal zwei Tage später zogen Udo und ich den bisher
größten Fisch unserer Reise an Bord! Einen 2m langen Blue Marlin - ein Wahnsinns
Teil.
Zum Glück hatte Bernd nach dem Frust mit dem ersten Marlin ein neues Gaff gebastelt. Das
alte hat Julian vor Mauritius über Bord geschmissen?! Mit diesem Teil und kräftigem
Zupacken kriegen wir zwei relativ problemlos den Monsterfisch an Bord.
Nach dem glücklichen Fischfang finden wir am nächsten Tag (mittlerweile ist es der
25.3.) dann auch endlich den Strom der in die richtige Richtung fließt. Wir haben noch
660sm vor uns. Bei diesem Wind (4-5Bft) und dem Strom heißt das etwa 3-4 Tage. Am 28.3.
gegen 17.00 erscheint die Insel Grenada ca. 20sm entfernt. Jetzt wird es knapp! Denn
die Bucht in die wir wollen kommt man nur bei Tageslicht hinein. Wir schaffen es nicht und
steuern die nächste Bucht an ( Prickly Bay), wo wir um 20.00Uhr den Anker fallen
lassen. Die Alparena kommt zwei Stunden nach uns an. Sie ist aber einen ganzen
Tag nach uns gestartet!
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