Sonntag 21.03.99

Wir starten bei gutem Wetter um 15:30 Uhr und müssen erst mal aus der Flußmündung vor Valdivia herauskreuzen, um dann im offenen Wasser den Kurs auf die Osterinsel anlegen zu können. Der Kurs über Grund ist ca. 190° und die direkte Entfernung 1950 Seemeilen (  1sm = 1852m ).
wir sind zu fünft an Bord. Wolfgang- der Kapitän, Bernd und Sandra- unser Bootsmann + Frau, sowie Tschäggi und ich. Unser Wachsystem läuft folgendermaßen: Jeder hat 4 Std. Wache und anschließend 6 Std. frei. Wir sind immer zu zweit, wobei wir untereinander wechseln. Zu kompliziert? Also- Ich gehe die ersten 2 Std. mit Bernd- dann kommt Sandra (für Bernd). Mich löst Wolfgang nach 2 weiteren Std. ab- Sandra bleibt- wird nach 4 Std. von Tschäggi erlöst- Wolfgang bleibt bis Bernd nach 4 Std. für ihn kommt und schlußendlich löse ich Tschäggi (ebenfalls nach 4 Std.) ab und alles beginnt von vorn. Alles klar?!
Zu alledem kommt noch das Kochen, Spülen, Toilette putzen usw., was wir ebenfalls reihum erledigen.
Zurück zum segeln. Bis ca. 20:00 Uhr läuft es ganz gut- dann bleibt uns der Wind weg- und wir schmeißen die "eiserne Genua" (den Motor) an.

Montag 22.03.99

Als ich um 2:00 Uhr meine Wache antrete, kriegen wir wieder Wind und Bernd und ich ziehen die Genua hoch (Schoner + Großsegel stehen noch als Stützsegel). Um 6:00 Uhr (Wachende für mich) hat der Wind soweit zugenommen, daß Wolfgang, Sandra und ich die Genua gegen das Focksegel austauschen müssen. Die Fock ist das nächst kleinere Segel nach der Genua. Solche Manöver machen wir möglichst bei einem Wachwechsel, der ja alle 2 Std. stattfindet, um noch einen dritten Mann bzw. eine Frau dabei zu haben. Da unser Schiff keinerlei elektrische Winsch (bis auf den Anker) bzw. Rollsegel hat, brauchen wir für fast jedes Manöver mindestens drei Leute, und man muß dabei fast immer aufs Vorschiff- bei Wind und Wetter!
Bis ich also im Bett bin ist es ca. 7:00 Uhr und werde gegen 10:00 Uhr durch heftige Schiffsbewegungen geweckt (Meine Koje liegt im Vorschiff). Wir rauschen mit ca. 8-9 kn hoch am Wind, was schon genug Bewegung verursacht, doch dazu kommt dann noch eine andere (alte) Welle genau von vorne! Und die ist recht hoch und steil, so daß wir entweder in sie reinknallen oder des öfteren vom Wellenrücken im freien Fall ins Tal stürzen!
Während unserer bisherigen Reise (immerhin 6 Monate) hat keiner von uns so eine verrückte See erlebt.
Um 12:00 Uhr ziehen Bernd und ich mit Tschäggi am Steuer das erste Reff ins Groß (verkleinern der Segelfläche) weil der Wind immer noch zunimmt (5-6 bft). Das bleibt dann bis zum abend so und flaut dann allmählich ab.

Dienstag 23.03.99

Um 3:00 Uhr werfen wir den Motor für 4 Std. an um gegen 7:00 Uhr die Fock hochzuziehen (Tschäggi und Bernd). Um 8:00 Uhr wird die dann gegen die Genua ausgetauscht (von Bernd und mir) und wir segeln bei wechselhaften Winden mit 4-5 kn (1 Knoten 0 1,852 km/h) den ganzen Tag dahin.
Kurz nach 10:00 Uhr sichte ich ca. 200m voraus einen Buckelwal. Wir sehen ihn 2-3 mal blasen, dann taucht er auf nimmerwiedersehen ab. Gestern nacht habe ich mal wieder Besuch von Delphinen bekommen. Da das Wasser hier voll mit phosphoreszierenden Lebewesen ist, sieht das ziemlich phantastisch aus. Eigentlich sieht man nur einen 4-5 m langen Feuerschweif unter Wasser, der am Boot entlang schießt- und ab und zu hört man sie noch atmen. Manchmal hat man nachts eine tolle "Lightshow". Einmal die Delphine als Unterwasserraketen, dann die leuchtende Bugwelle- und das Kielwasser- und dazu noch Kugelblitze unter Wasser (wer oder was die verursacht-??).
Der Wind ist in der Stärke sehr wechselhaft- die Windrichtung ist einigermaßen stabil von NNW - NO. In den letzten 48 Std. haben wir ca. 250sm auf unser Ziel gut gemacht. Es liegen also noch 1700sm vor uns. Da wir am 4.4. ankommen wollen, müssen wir also in den verbleibenden 12 Tagen ca. 140sm pro Tag schaffen. Dazu brauchen wir aber viel Glück. Ich denke, daß wir 1-2 Tage länger brauchen werden.
Während des Rennens haben wir regelmäßig zu festgelegten Zeiten Funkkontakt zur Regattaleitung. Zweimal täglich müssen wir unsere Position, Windrichtung und -stärke, sowie die Motorstunden durchgeben. So erfahren wir natürlich auch, wo unsere "Konkurrenten" liegen.
Momentan liegt die Risque vorn (wie zu erwarten war), dann kommen relativ eng beieinander Aventura III, Harmonie und wir. Happy Spirit und Que Sera Sera wollen zur Robinson Crusoe Insel. Ihr Name ist eigentlich "Isla de Juan Fernandez" und auf ihr gab's den "echten" Robinson Crusoe- derjenige, der dann Daniel Defoe inspirierte.

Mittwoch 24.03.99

Während der Nacht kommt mal wieder richtig guter Wind und es geht für ein paar Stunden mit 8-9kn voran. Pünktlich um 4:00 Uhr bleibt der Wind schlagartig weg und es gießt wie aus Kübeln (natürlich auf meiner Wache)- sobald Bernd bzw. Sandra nach oben kommen, hört der Regen auf !? Ich muß irgend etwas schlimmes getan haben, denn anscheinend meint dort oben jemand mich bestrafen zu müssen !
Diese Regenschauer bringen auch ziemliche Windveränderungen mit sich. Von schlagartig einsetzenden Sturmböen über Windstille bis Richtungsänderungen von 180° ist alles dabei.
Doch als um sieben die Sonne aufgeht, beginnt ein wunderschöner Tag- Sonnenschein pur! Bernd nimmt sein erstes Bad im Pazifik und Tschäggi läuft beim Spülen der Schweiß übers Gesicht.
Die Windstärke ist auch heute wechselhaft. Unsere Geschwindigkeit variiert von 0-7kn. Insgesamt schaffen wir heute ca. 130sm.

Donnerstag 25. + Freitag 26.03.99

Von diesen beiden Tagen gibt es nicht soviel zu berichten. Da wir uns immer noch in den sogenannten "Roßbreiten" befinden, müssen wir mit sehr wechselhaften Wind- und Wetterbedingungen leben.
Roßbreiten nennt sich dieser Gürtel (der sich übrigens über den gesamten Globus spannt) deshalb, weil die früheren Segelschiffe noch mehr unter diesen unsteten Windbedingungen litten und nicht vorwärts kamen. Dann mußten manchmal die mitgeführten Pferde als Proviant herhalten ! Eine andere Erklärung sagt, das man sich wünschte Rösser vors Schiff spannen zu können, damit man endlich die Passatwindzone erreicht (Richt. Äquator). Die soll hier um diese Jahreszeit ungefähr am 30sten Breitengrad beginnen. Da wir gerade mal am 36sten (also noch 360sm südlich) sind, wird es für uns wohl noch ein bißchen dauern.
Am Freitagmorgen läßt der Wind soweit nach, das die Segel nur noch schlaff herunter hängen, bzw. bedingt durch eine starke Dünung, ziemlich wild hin und her schlagen. Da das nicht besonders gut für das Material ist, und wir unter Zeitdruck stehen, schmeißen wir halt wieder die Maschine an.
Die anderen Schiffe haben ähnliche Probleme und haben teilweise schon mehr Motorstunden auf ihrem Konto stehen. Am Abend sind wir noch 1350sm von unserem Ziel entfernt- hinken somit ca. 70sm hinter unserem Soll hinterher- also schon einen ganzen Tag !

Samstag 27.03.99

Wir motoren bis ca. 16:00 Uhr ! Bevor wir die Segel wieder setzen können, muß Sandra 4 neue Mastrutscher annähen (die Mastrutscher laufen in einer Nut und halten dadurch das Segel am Mast). Die Alten haben sich bei der Schaukelei bzw. Segelschlagerei in ihre Bestandteile aufgelöst. Der Wind hat auch seine Richtung verändert und kommt nun aus Südsüdwest.

Sonntag 28.03.99

Während der Nacht haben wir unseren Spinnaker (unser größtes Segel) gesetzt. Doch da der Wind immer noch recht schwach und böig ist, ist es eine ganz schöne Qual den Spi gefüllt zu halten. Doch leider haben wir keine Alternativen. So "rasen" wir mit ca. 3kn unserem Etappenziel entgegen ! Doch auch nur bis ca. 9:00 Uhr- dann ist der Wind endgültig wieder eingeschlafen und der Motor springt wieder an.
Heute morgen haben wir mal wieder die Position unserer "Konkurrenz" mitbekommen. Danach führt die Risque mit 130sm- 50 sm dahinter die Aventura III, dann wir mit ca. 40sm Vorsprung vor der Harmonie. Happy Spirit und Que Sera Sera sind aus der Wertung, weil sie unterwegs an Land gegangen sind. Futuro ist mittlerweile auch gestartet (sie mußten auf Ersatzteile aus Deutschland warten) und liegt ca. 200sm hinter uns. Da sie aber guten Wind und ein extrem schnelles Schiff haben, genau wie die Risque eine "Swan" werden sie uns vielleicht noch einholen.
Abends haben wir noch 1125sm vor uns- also schon über 120sm hinter unserem Zeitplan.

Montag 29.03.99

Und der Motor läuft und läuft- und die See wird glatter und glatter- als würde man durch öl fahren. Und dazu scheint die Sonne erbarmungslos vom Himmel ! Also beschließen wir dem armen Motor mal 'ne halbe Stunde Pause zu gönnen und hüpfen in dieses wunderbar tiefblaue Wasser- herrlich !

Dienstag 30.03.99

Bis 8:00 Uhr läuft die Maschine noch- ca. 47 Std. am Stück ! Doch endlich ist der Passat (wir hoffen zumindest) da !
Und wie ! Am Anfang geht es richtig zur Sache und wir fegen mit 8-9kn dahin. Leider flacht er nach ein paar Stunden wieder ab- aber wir können immerhin unsere arg benötigten 6kn halten. In den letzten beiden Tagen haben wir genau unseren Schnitt von 140sm/pro Tag gefahren (dank Motor) und bleiben bei unseren 120sm minus.
Abends nimmt der Wind weiter ab. Deshalb holen Wolfgang, Bernd, Sandra + Tschäggi die beiden Baumsegel-Schoner und Groß- runter, weil sie mal wieder wild hin und her schlagen. Statt dessen ziehen sie ein Stagsegel hoch, das aus dem gleichen Material wie der Spinnaker besteht. D.h. es ist sehr leicht und fällt bei dem schwachen Wind nicht so schnell zusammen. Doch das bleibt auch nur ein paar Stunden stehen, dann dreht der Wind und kommt jetzt genau von achtern (hinten). Da nimmt das Stagsegel dem Spi den Wind und läßt ihn hin und her flattern- also weg damit.

Mittwoch 31.03.99

Heute wieder den ganzen Tag unter Spinnaker gefahren- das muß der Passatwind sein.
Während der letzten paar Tage- als es so schön ruhig war- und jetzt wo der Wind und damit auch die Wellen fast genau von hinten kommen, so daß die Gefahr, das Wasser aufs De4ck spritz, gleich Null ist, können wir auch mal wieder was für das Äußere des Schiffes tun. Das heißt: Rost beseitigen, neu grundieren und lackieren- sowie am Holzdeck, dort wo der Lack schadhaft ist, ihn abziehen, schleifen und neu lackieren.

Donnerstag 01.04.99

Heute morgen gegen 4:00 Uhr dreht der Wind von bisher Südost weiter nach Osten. Das bedeutet für uns, das wir den Spinnakerbaum von Backbord nach Steuerbord schiften müssen. Da wir dazu den Spi runter nehmen müssen, wecken wir (Sandra, Bernd und ich) noch den Wolfgang, um genügend Leute für dieses Manöver zu haben. Einer steht am Ruder, einer bedient das Spi-Fall (die Leine an der das Segel nach oben gezogen wird) und die restlichen zwei ziehen das Segel ins Cockpit (möglichst ohne das es ins Wasser fällt). Dort wird es ordentlich in einem Segelsack verstaut, damit man es ohne Schwierigkeit direkt aus diesem Sack heraus wieder hochziehen kann. Gleichzeitig müssen noch die Schoten (die Leinen mit denen die Segel geführt werden) gewechselt werden. Dann noch den Spibaum auf die andere Seite bringen- und dann endlich können wir das Segel wieder setzten. Es gibt mit Sicherheit einfachere Systeme- aber bei uns geht's halt nicht anders.
Nachdem ich um 6:00 Uhr Feierabend habe, dreht dann der Wind noch weiter und kommt fast quer von der Seite. Also wird zusätzlich noch das Stag + Großsegel gesetzt. Der Passatwind kann es wohl doch nicht gewesen sein- der weht aus Südost. Mittlerweile kommt er aus NNO (Nordnordost).
Ist uns eigentlich egal- Hauptsache er weht und kommt nicht von vorne !
So segeln wir den ganzen Tag und vergnügen uns mit den schon angesprochenen Verschönerungsarbeiten, sonnenbaden, lesen, kochen, putzen, steuern, Toilette putzen, usw., usw.

Freitag 02.04.99

Am frühen Morgen wird der Wind mal wieder stärker, so daß wir zwischen 8:00 + 12:00 Uhr fast 40sm zurücklegen !
Wenn's öfter so laufen würde, können wir bald unser erstes Bier zu Ostern auf der Osterinsel trinken. Aber leider....!
Kurz nach 12:00 Uhr nehmen wir den Spinnaker runter und setzten dafür die Genua. Einmal weil die Windstärke mittlerweile an die Belastungsgrenze des Spinnakers stößt und eine irrsinnige Spannung auf unseren Schoten steht, so daß wir befürchten, das jeden Moment was kaputt gehen kann.
Mit der Genua, Stag- und Großsegel kommen wir auch noch an die 8kn. Leider mal wieder nicht allzu lange, denn am Nachmittag flaut der Wind so weit ab, das wir mal wieder die "eiserne Genua" einsetzten müssen.
Abends regnet es seit ca. einer Woche mal wieder.

Samstag 03.04.99

Gegen 2:00 Uhr haben wir wieder genug Wind um die Segel zu setzten. Unter Spi, Schoner + Großsegel ziehen wir bei ca. 3 Windstärken mit einer Geschwindigkeit von ca. 6kn bis 13:00 Uhr dahin.
Auf einmal heißt es "all hands on deck" und wir müssen den Spinnaker bergen, weil er mittendrin einen großen Riß hat. Wieso, warum, weswegen weiß kein Mensch. Wir vermuten Altersschwäche ! Also dafür die Genua hoch. Es hat sich auch mal wieder eine starke Dünung aufgebaut (Wellen, die von einem Sturm erzeugt wurden), und die bringen unser Schiff ganz schön ins Rollen. Um 17:00 Uhr haben wir noch ca. 290sm vor uns- also immer noch 130sm im Minus.
Abends heißt es dann mal wieder: Segel runter- Motor an !

Sonntag 04.04.99

Die Maschine läuft den ganzen Tag. Mittlerweile wird es draußen so heiß, das wir uns einen provisorischen Sonnenschutz für den Rudergänger bauen müssen.
Ach ja- dann ist da ja auch noch Ostern ! Bernd hat einen Rosinenstuten (oder so was ähnliches) während seiner Nachtwache gebacken, und zum Frühstück gibt es auch noch bunt bemalte Eier ! Sogar mit den Portraits der Besatzung- und auch noch erkennbar. Ist aber eigentlich auch ziemlich leicht: Tschäggi ist rothaarig, Bernd hellblond, Sandra und ich tragen Brillen- ich dazu noch einen Vollbart- und natürlich noch Wolfgang. Dann gibt es auch noch Marzipaneier- die hat Bernd von seiner Mama geschickt bekommen.

Montag 05.04.99

Um 4:00 Uhr geht der Motor aus- aber nicht weil wir wieder Wind haben- nein- unsere Dieseltanks sind fast leer und wir müssen uns etwas für Notfälle bzw. Hafenmanöver zurückhalten.
So schaukeln wir bis 6:00 Uhr bei fast absoluter Windstille herum und bewegen uns nicht vom Fleck ! Und das ca. 100sm vor dem Ziel !
Dann kommt endlich eine leichte Brise auf, die uns ein bißchen weiter schiebt. Um 9:00 Uhr hören wir über Funk, das Futuro nur noch 40sm hinter uns liegt. Unsere momentane Geschwindigkeit liegt um die 3kn. Wenn sie motoren, was sehr wahrscheinlich ist, werden sie uns am frühen Abend überholen.
Um 17:10 Uhr sichte ich Land- die Osterinsel ! Sie liegt noch 47sm entfernt (ca. 90km). Ein bewegendes Gefühl nach 14 Tagen und 2000sm mal wieder was anderes außer ringsherum nur Wasser zu sehen. Und es kommt noch besser. Um 17:30 Uhr sieht Bernd hinter uns die Futuro heranbrausen. Sie kommen ganz dicht an uns heran und schalten die Maschine auf neutral und wir unterhalten uns noch ein bißchen- dann geben sie wieder Gas und ziehen davon.

Wir brauchen noch geschlagene 14 Std., dann fällt endlich um 7:30 Uhr der Anker in der Bucht vor Hanga Roa auf Rapa Nui.

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